Kannste glauben?!

Pfarrer, wirklich? Wer möchte denn Pfarrer werden? Kann man das überhaupt einfach so werden? Und sind das nicht nur Amtsträger, die alles verurteilen, was irgendwie mit Spaß zu tun hat? Wenn es um Vorurteile und Nicht­-auf­-den­-Berufswunschlisten-­ganz­-oben­-stehen geht, ist der Pfarrberuf vorn mit dabei. Zurecht? Nein. Wir haben uns mit der angehenden evangelischen Pfarrerin Inga getroffen und gelernt, dass Pfarrer(in) sein nicht für jeden der richtige Beruf ist. Aber er ist auch längst nicht mehr so „angestaubt und weltfremd“, wie viele immer noch denken, sondern kreativ und vielfältig.

Pfarrer (m/w/d)

Worum gehts?

Evangelische Pfarrleute übernehmen in Gemeinden der evangelischen Kirchen in Deutschland Aufgaben in den Bereichen Verkündigung, Seelsorge, Unterricht sowie Gemeindearbeit.

Dauer:

5 Jahre Studium, dann Vikariat und Probedienst je 2 bis 3 Jahre

Voraussetzungen:

Einfühlungsvermögen, der Glaube und die Bereitschaft, sich für andere Menschen zu engagieren sind die Grundvoraussetzungen. Für ein erfolgreiches Arbeiten gehören außerdem Verantwortungsbewusstsein und die Fähigkeit, sich selbst zu strukturieren dazu. Eine Alternative zum Theologiestudium ist das Studium der Gemeinde- oder Religionspädagogik.

Chancen:

Pfarrer werden nach der Ordination in den Probedienst übernommen und leiten eine eigene Gemeinde. Sie können darüber hinaus auch in Kliniken, bei der Bundeswehr, in Schulen, in Strafanstalten oder sogar in deutschen Auslandsgemeinden auf der ganzen Welt ein Pfarramt übernehmen. Als Beamte im Kirchendienst haben Pfarrer die gleichen Vorteile wie Staatsbeamte. Dazu kommt, dass es schon jetzt mehr freie Stellen als Pfarrer gibt.

Foto: Yeti Studio – adobe.stock.com

Pfarrer wird man aus Berufung?

„Ja, schon, aber das heißt nicht, dass man sich da von Anfang an sicher sein muss. Ich selbst bin mit dem christlichen Glauben aufgewachsen, hätte mir in meiner Jugend aber nicht vorstellen können, selbst mal Pfarrerin zu werden. Das kam erst ein paar Jahre später.“ Inga hatte eigentlich Biologie und Sozialpädagogik studiert, musste nach einer längeren Elternzeit aber eine Alternative suchen, da es ihren Studiengang so nicht mehr gab. „Ich bin durch persönliche Umstände zu dieser Zeit wieder mehr in die Kirche gegangen, hab mich verstärkt mit den existenziellen Fragen des Lebens beschäftigt und fand Theologie sehr interessant, aber erstmal ohne das Ziel, wirklich auch später ein Pfarramt zu übernehmen. Das hat sich erst mit der Zeit entwickelt.“

Das Theologiestudium ist sehr anspruchsvoll.

„Man lernt mit Hebräisch, Griechisch und Latein gleich drei Sprachen – die man auch anwenden muss, wenn man mit den alten Texten in Berührung kommt. Außerdem gehören das Alte und das Neue Testament, systematische und praktische Theologie, sehr viel Geschichte und Philosophie dazu. Man wird wirklich sehr umfassend gebildet, ich fand das unheimlich spannend, musste aber wirklich jeden Tag lernen.“ Während des Studiums absolviert man zwar auch ein paar Praktika, den besten Einblick in die kirchliche Arbeit bekam Inga aber durch ihre langjährige ehrenamtliche Arbeit in der Gemeinde. „Da habe ich gesehen, wie vielfältig man sich einbringen und wie kreativ man sein kann. Deshalb habe ich mich dann auch für den Pfarrberuf und gegen die Karriere in der Forschung entschieden. Ich wollte einfach mehr mit Menschen zu tun haben.“

So ging es für Inga mit dem Vikariat weiter, eine Art Vorbereitungsdienst.

„Dazu wird man für zweieinhalb Jahre in einer Gemeinde unter Anleitung eines Mentors in die verschiedenen Aufgabenbereiche wie die regelmäßigen Gottesdienste, Trauer-­, Trau-­ und Taufgespräche, Konfirmandenunterricht und Christenlehre eingearbeitet. Darüber hinaus hat man aber noch viele andere Aufgaben in der Gemeinde, wie Senioren-­ und Jugendarbeit, Bildungsarbeit oder auch Familienfreizeiten.“

Als Pfarrerin hat sie keinen Nine-­to­-five-Job.

„Es ist sehr viel unvorhersehbar. Man kann ja ein Trauergespräch nicht einfach beenden, weil eine Stunde rum ist. Wenn Menschen mit Problemen zu mir kommen, muss ich mir Zeit für sie nehmen und immer eine offene Tür haben.“ Fast immer, natürlich hat sie auch mal Feierabend oder einen Tag in der Woche frei, aber sie muss trotzdem für Notfälle erreichbar sein. Nur im Urlaub hat sie wirklich frei, dann gibt es eine Vertretung. „Ich verstehe meine Arbeit darin, Begegnungs-­ und Glaubensräume zu schaffen. Wichtig ist mir, auf die Bedürfnisse der Gemeinde einzugehen und da hat man eben unheimlich vielfältige Möglichkeiten, Angebote zu schaffen, die man nach eigenen Kompetenzen gestalten kann. Ob Bibelkreise, Beratungsstunden für Alleinerziehende, Gottesdienste nicht nur zu den traditionellen Uhrzeiten sondern auch mal Samstag 18 Uhr, Projekte, die man außerhalb der Gemeinderäume betreut, die Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden, Familienfreizeiten – der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Der Beruf insgesamt gibt relativ wenig fest vor und lässt viel Platz für eigene Ideen.

Allerdings ist man auch sehr gefordert.

Menschlich und auch von seinen Fähigkeiten her. Man muss sich selbst sehr gut organisieren und strukturiert arbeiten können, damit man sich nicht verzettelt oder zu viel arbeitet. Während des Vikariats gibt es immer wieder Seminare und Kurse, die sich nochmal intensiv mit einzelnen Aufgaben beschäftigen und wo man sich mit den anderen Vikaren austauschen kann.“ Inga hat ihr Zweites Theologisches Examen nach dem Vikariat bestanden und steht nun kurz vor ihrer Ordination, der offiziellen Einführung ins Amt.

„Ich habe früher selbst immer gedacht, dass das alles zu engstirnig und weit ab von der Wirklichkeit ist, das hat viel mit dem alten Rollenbild zu tun.

Aber das wandelt sich, ist viel offener geworden. Frauen, verheiratete, geschiedene oder homosexuelle Pfarrer sind in der evangelischen Kirche heute ganz normal. Es sind immer alle ganz verwundert, wenn ich abends bei einem Bier in der Kneipe sitze, weil sie denken, als Pfarrerin darf man so etwas nicht. Aber natürlich darf auch ich Spaß haben, nicht unbegrenzt, aber eben nicht so eingeschränkt, wie angenommen wird. Grundlage für diesen Beruf ist der Glaube, aber das heißt nicht, dass man nicht auch mal Zweifel haben darf. Ich denke sogar, dass genau das einen Pfarrer noch näher an die Menschen bringt, die dort vor ihm sitzen.“ (mü)

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