Fußball-Fieber in den Alpen

Diesen Sommer stand für den FC Steinbach-Hallenberg nicht nur das Public Viewing für die Europameisterschaften für Frauenfußball-Europameisterschaften (EM) auf dem Plan. Nein: Die Mannschaft aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen ist selbst zur EM gefahren. Während die deutsche National-Elf um Trainerin Martina Voss-Tecklenburg nach England reiste, fuhren die „Hallenburg-Kicker“ mit Trainer David Reich in die Schweiz nach Zermatt. Mit Blick auf das Matterhorn und in 1.600 Metern Höhe fand dort die Bergdorf-EM statt.

Mit dem Matterhorn im Hintergrund rockten die „Hallenburg-Kicker“ die Bergdorf-EM.

„Das war eine endgeile Nummer“, schwärmt David auch Wochen nach dem Event noch.

Die Chance bei dem Fußballereignis an den Start zu gehen, hat sich Anfang 2020 ergeben, als der eigentliche deutsche Vertreter wegen der Corona-Pandemie abgesagt hatte. „Und wenn es um Berge geht, sind wir im Thüringer Wald immer dabei!“, so David. Die Bergdorf-EM wird seit 2008 im Alpenraum immer kurz vor der offiziellen UEFA EURO ausgetragen. Acht nach touristischen und sportlichen Kriterien aus­gewähl­te Bergdorf-Teams aus Europa kickten 2022 zugunsten Benachteiligter um Ruhm und Ehre – und den EM-Titel.

„Es ist eine Fußball-EM in Freundschaft“, er­klärt der Stein­bach-Hallen­berger Trainer.

An den Start gehen dürfen nur Amateur-Mannschaften, die maximal in der siebten Liga spielen. Da der FC Steinbach-Hallenberg in der Thüringer Landesklasse 3, also der zweit­höchsten Thüringer Spielklasse, an den Start geht, dürfen sie starten. Da die EM in die Prüfungsphase einiger Stammspieler, die in Jena und Dresden studieren, fiel, wurde das Team mit je einem Spieler aus Meiningen und einem aus Henneberg verstärkt.

Natürlich habe die Mannschaft mit ihrem Trainer vorab überlegt, inwiefern ihnen die Höhe etwas ausmachen werde.

Auf ein spezielles Höhentraining haben sie aber verzichtet. Ratschläge haben sie jedoch von jemanden erhalten, der sich mit luftigen Höhen auskennt: Jochen Danneberg. In der DDR gehörte er zu den erfolgreichsten Skispringern und war auch Skisprungtrainer. Er habe ein bisschen aus dem Nähkästchen geplaudert, so David.

Dass es sich bei der Bergdorf-EM nicht um ein normales Turnier handelte, was die „Hallenburg Kicker“ üblicherweise an ihren Wochenenden bestreiten, war klar.

„Beim Sachenpacken kam dann schon ein mulmiges Gefühl auf. Denn: Ohje, wir fahren zu einer EM“, berichtet David. „Das gab schon ein Kribbeln. Und die Frage: Wie gut werden die Gegner sein?“

Dann ging es schon zur Eröffnung.

Dabei durften natürlich die Nationalhymnen und die Nationaltrikots nicht fehlen. „Das war Gänsehautstimmung pur!“ Doch dann die Ernüchterung. Beim ersten Spiel gegen die Niederländer kassierten die Deutschen eine harte Klatsche: 4:0 verloren. Von der Euphorie sei nichts mehr zu spüren gewesen, jetzt war die Stimmung deprimiert. Doch aufgeben kam für Trainer David nicht in Frage: „Am nächsten Tag hatten wir eine lange Teamsitzung mit Spielanalyse. Das war ja ein verkürztes Spielfeld mit einem Keeper und sieben Feldspielern. Wir haben geschaut: Wie können wir dort wen gewinnbringend einsetzen?“ Gesagt, getan. Das Team aus zwölf 20- bis 35-jährigen Männern ist vom Tisch aufgestanden und sofort zur nächsten Trainingseinheit marschiert.

Aber beim nächsten Spiel gegen Frank­reich landete der erste Ball wieder im Tor der Deutschen.

Wieder Rückstand. Doch dann wendete sich das Blatt. Die Deutschen gewinnen das Spiel. Endstand: 5:1. „Das war der Wahnsinn! Die aus der Heimat mitgereisten Fans sind aufs Spielfeld gerannt. Gestern haben sich noch alle über uns lustig gemacht und jetzt hatten sie gehofft, dass Deutschland nicht ihr nächster Gegner wird.“ Einer dieser mitgereisten Fans war übrigens Markus Böttcher, Steinbach Hallenbergs Bürger­meister. Die Euphorie ist in Davids Stimme zu hören. „Danach lief es wie am Schnürchen. 3 zu 1 gegen die Schweiz gewonnen und wir waren Gruppensieger. Im Viertelfinale ging es gegen England.“ Auch das haben sie 4:1 gewonnen.

Halbfinal-Gegner? Italien!

Hier endete die Erfolgsserie der Deutschen. Die Italiener gewannen 3:1. Der Finaltag sei für die Spieler sehr hart gewesen. Sie hatten nach dem Viertelfinale nur eine Stunde Regenerationszeit, so David, was insbesondere bei den sehr heißen Temperaturen und der Höhe des Spielorts kör­perlich sehr anstrengend war. Letztlich konnten die Deutschen trotzdem eine Medaille ab­stauben. Im Elfmeter-Schießen um Platz 3 gewannen sie gegen die Niederlande. Bergdorf-Europameister wurde schließlich Bella Italia. 6:1 setzten sie sich gegen die Mannschaft aus Frankreich durch.

„Das war einfach nur geil“, betont der 40-Jährige, der mit Ende der Bergdorf-EM nach sechs Jahren zum Saisonende seine Trainertätigkeit an Robert Teske ab­gegeben hat, nochmal.

„Es gab einen richtigen EM-Spirit!“ Auch neben dem Fußballspielen habe die Mannschaft eine unvergessliche Zeit in den Schweizer Alpen verbracht. Sie hatten die Möglichkeit in Zermatt mit dem einzigen deutschen Hotelbesitzer einen deutschen Abend zu verbringen und konnten beim Gala-Abend am Samstag die Charity-Veranstaltung mitverfolgen. (sa)

Am Ende sicherte sich das deutsche Team den dritten Platz.           Fotos: FC Steinbach-Hallenberg.

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