Kirmes und Traditionen leben
Kirmessen, Trachten und Traditionen gehören zu Thüringen wie ansonsten nur die Bratwurst. Gerade hier in Süd- und Westthüringen werden sie intensiv gelebt. Eine, die dafür sorgt, dass auch die nächste Generation noch mit am Start ist, ist Elena Hofmann aus Streufdorf.
Foto: HERZDING Fotografie
Kirmes und Traditionen leben
„Kirmes ist bei uns ein Riesending!“, sagt Elena. „Als ich noch klein war, habe ich immer gesagt: ‚Ich will auch zur Kirmesgesellschaft gehören.‘ Bei uns fängt man schon mit der Kinderkirmes an. Ich weiß nicht genau, wann ich angefangen habe, vielleicht so mit vier, fünf Jahren.“ Auch wenn in jedem Dorf die Kirmes und Bräuche ein bisschen unterschiedlich sind, leben sie sie doch nahezu überall weiter.
„Wir in Streufdorf zelebrieren das immer mit einem Festzelt. Wir feiern dieses Jahr zwanzig Jahre Plankirmes – so heißt das bei uns. Aber die Kirmes an sich gibt es schon viel länger. Schon meine Mama hat in meinem Alter mitgemacht.“
Elena hat die Gründung selbst in die Hand genommen
2018, als sie gerade selbst erst 18 Jahre alt war und kurz darauf zum dualen Studium weggezogen ist, hat Elena den Kirmesverein Streufdorf gegründet. Zuvor hatte der ansässige Sportverein sich um die Organisation der Kirmes gekümmert, es aber ab dem Jahr abgegeben.
Doch einen eigenen Kirmesverein hatte Streufdorf zu dem Zeitpunkt nicht. Das war der Startschuss für Elena: „Aber ich wollte natürlich, dass die Kirmes-Tradition in Streufdorf bestehen bleibt. Also habe ich gesagt: ‚Gut, wer macht es sonst? Ich mach das jetzt!‘ Ich habe dann mit verschiedenen Leuten gesprochen und mir einen Vorstand zusammengesucht und mich um alles Schriftliche gekümmert.“
Der Ablauf einer Kirmes
Früher sei laut Elena die Plankirmes Ende Oktober gewesen, aber dadurch, dass der Großteil in einem Zelt stattfindet, und damit es nicht zu Überschneidungen mit den Nachbardörfern kommt, sei sie schon vor Jahren auf das erste September-Wochenende verschoben worden. Wie auch anderswo beginnt in Streufdorf die Kirmes am Donnerstag mit dem Antrinken. Freitag steht der Kirmes-Gottesdienst an, gefolgt von der Festveranstaltung am Abend. Das Wochenende steht ganz im Zeichen der dortigen Bräuche.
„Samstag machen wir die Ständchen durch das Dorf – von früh bis abends. Die Kirmesgesellschaft teilt sich auf und zieht in zwei Gruppen mit Kapellen von Haus zu Haus“, erklärt Elena. „An jedem Haus wird ein Lied – oder zwei, drei – gespielt und wir tanzen mit Leuten ganz traditionell. Meistens kriegen wir dann auch etwas zu essen oder zu trinken. Das ist gerade für die Menschen gedacht, die abends nicht ins Festzelt kommen können.“ Dort spielt dann eine Band.
Sonntags folgen Frühschoppen, Mittagstisch und die Sprüchlein, bei denen jeder in der Kirmesgesellschaft etwas über seinen Kirmespartner erzählt. Zudem trägt die Kirmespfarrerin die Kirmespredigt vor, in der sie Ereignisse aus dem vergangenen Jahr aufgreift. Die Streufdorfer Kirmesgesellschaft ist sehr jung. Ab 16 Jahren kann man dazu gehören, bis man verlobt oder verheiratet ist oder Kinder kriegt. Elena ist mit ihren 23 Jahren die Älteste.
Traditionelle Kleidung gehört dazu
Worauf jedes Dorf natürlich besonders stolz sei, sei die jeweilige Tracht, so Elena. „Bei uns tragen die Männer normale schwarze Anzüge mit roten Bändern und haben einen Hut auf, auf dem Blumen mit einem roten langen Band drauf sind. Darunter tragen sie Krawatte und Hemd. Und am Jackett hängen auch nochmal rote Bänder.“ Anderswo tragen die Männer Frack und einen Zylinder.
„Wir Frauen tragen lange dunkle Trachten mit Schürzen und Tüchern. Und haben einen Blumenkranz in den Haaren, passend zu unseren Tüchern. Aber zum Beispiel ein paar Orte weiter tragen alle Frauen weiße Schürzen und blaue Bänder oder haben Käppchen auf“, erklärt Elena. Eine große Besonderheit sind bei den Streufdorferinnen die Tücher. „Die kriegst du so nicht mehr. Die von meiner Mama sind leider verloren gegangen, aber ich habe meine von meiner Oma bekommen. Das ist etwas Besonderes, wenn sowas vererbt bekommt.“
Sich einfach in einem Fast-Fashion-Laden ein Tuch kaufen, geht nicht. Deswegen ist Elena selbst auf Reisen immer auf der Suche nach neuen traditionellen Tüchern. „Ich gehe dann gezielt in Second-Hand-Läden. Besonders in den früheren Ostblock-Staaten findet man oft etwas. Ich habe Tücher aus Rumänien, Bulgarien und auch aus Spanien.“
Wie Kirmes und Traditionen unter Corona gelitten haben
Da die Traditionen und Bräuche besonders während der Corona-Zeit gelitten haben, hat die Streufdorferin nicht nur einen Verein für ihre Kirmes gegründet, sondern auch gleich einen Verband. „2020 gab es gar nichts. 2021 haben wir wenigstens die Ständle gesungen, aber mit Maske und ohne zu tanzen oder Getränke anzunehmen. Letztes Jahr hatten wir wieder eine richtige Kirmes, aber in einem Saal.“ In der Zeit habe sich in den Kirmesgesellschaften eine hohe Frustration angestaut.
„Wir hatten das Gefühl, dass Tradition und Kirmes total vergessen wurden. Dabei hat bei uns jedes kleine Dorf sein Brauchtum.“ Deswegen haben sie sich erst gegenseitig als Initiative Kirmesfreunde das Leid geklagt und dann aus der Not heraus den Südthüringer Verband für Kirmes und Brauchtumspflege (SVKB) gegründet.
Elena ist jetzt Expertin
Inzwischen hat sich der Verband als Anlaufstelle für Kirmes-Angelegenheiten in der Region fest etabliert. „Wir sind offen für alle Anliegen. Wir geben zum Beispiel Weiterbildungen zum Steuerrecht für Vereine, IT-Workshops oder beantworten Fragen zur Sicherheit, zum Beispiel was passiert, wenn es zu Schlägereien kommt“, erklärt Elena. Da sie sich selbst noch sehr gut an ihre Vereinsgründung erinnert und weiß, welche Fragen man sich stellt, ist Elena auf diesem Gebiet die Expertin und berät dahingehend.
Wie lange Elena noch in der Kirmesgesellschaft sein wird, weiß sie nicht. Aber sie möchte auch zukünftig Teil des Organisationsteams der Kirmes bleiben und die Traditionen bestenfalls an ihre jüngere Cousine weitergeben.