„Er kann alles, nur nicht hören.“

Frank und Ricarda Wappler sind Eltern eines gehörlosen Sohnes. Der 17-Jährige Carl absolviert gerade eine Ausbildung zum Tischler. Wie dieser Weg aus Sicht seiner Eltern verlief, haben uns die beiden im Interview verraten.

 

Eltern Frank und Ricarda mit ihrem Sohn Carl (rechts) im Urlaub. Fotos: privat

„Man darf sich nicht unterkriegen lassen, wenn mal ein Antrag abgelehnt wird“

„Nach der Geburt wurden bei Carl Tests durchgeführt, durch die festgestellt werden konnte, dass er gehörlos ist“, erinnern sich Frank und Ricarda Wappler. „Dann war die Option, ein Cochlea-Implantat einzusetzen, was allerdings zu einem enttäuschenden Ergebnis führte, weil es bei Carl nichts gebracht hat. Als die andere Seite operiert und noch ein Hirnstammimplantat eingesetzt werden sollte, haben wir nein gesagt. Wir sind froh, dass er so ist wie er ist und gehen mit dieser Situation gemeinsam ins Leben.“ 

Bereits im Kindergarten wurde Carl eine Dolmetscherin zur Seite gestellt, die ihm und auch seinen Eltern die Gebärdensprache beibrachte. „Das war eine völlig neue Situation für alle Beteiligten. Wir haben zusammen sprechen gelernt. Erstmal mit einfachen lautsprachunterstützenden Gebärden, die mit der Zeit immer expliziter geworden sind. Der Wortschatz entwickelt sich stetig weiter, auch jetzt noch. Und es gibt auch in der Gebärdensprache unterschiedliche Dialekte.“ 

Die Dolmetscherinnen begleiten Carl inzwischen mitunter bereits seit der 1. Klasse. Gerade die Finanzierung dieses Engagements sei ein sehr schwieriges Thema gewesen. „Ein Selbstläufer war das nicht“, erinnert sich Ricarda. „Seit er auf der Welt ist schreiben wir Anträge und kämpfen um sein Recht. Das ist alles sehr zäh. In der Grundschule hatte er eine Dolmetscherin pro Stunde bei sich, aber ab der Regelschule war das nicht mehr genug. Da mussten es dann zwei pro Stunde sein und irgendwie muss das ja finanziert werden.“ Dabei sei laut Frank Beharrlichkeit besonders wichtig gewesen. „Man darf sich nicht unterkriegen lassen, wenn mal ein Antrag abgelehnt wird. Da heißt es dranbleiben und für das eigene Recht kämpfen!“ 

Er hat allen bewiesen, dass es funktioniert 

Ricarda hebt aber auch hervor, wie sehr der Familie seitens der Schule unter die Arme gegriffen wurde. Diese habe überhaupt erst ermöglicht, dass Carl die Schule besuchen und seinen Abschluss absolvieren konnte. „Das war für alle Neuland, aber der Schulleiter hat dann einfach gesagt, dass wir es probieren. Und auch Carl Klassenlehrerin war sehr engagiert. Da hatten wir wirklich Glück.“ 

Ebenfalls großes Glück hatten die beiden beim Thema Berufsorientierung. „Carl hat uns den Druck abgenommen, ihm etwas suchen zu müssen, weil er von Anfang an wusste, was er machen wollte und auch seine Meinung sagte, wenn ihm etwas nicht gepasst hat“, erzählt Frank.  

So habe Carl beispielsweise Schulen und Camps, die speziell für Gehörlose ausgelegt waren, abgelehnt und wurde in diesen Entscheidungen von seinen Eltern bekräftigt. „Wir haben immer versucht, Carl in der Gesellschaft ganz normal mitschwimmen zu lassen. Ihn nicht als Sonderfall zu behandeln, schließlich muss er irgendwann auch selbstständig sein können. Das hat uns sehr geholfen und das würde ich auch allen Eltern in einer ähnlichen Situation empfehlen.“ Ricarda ergänzt: „Ich sage immer, er kann alles, nur nicht hören. Er fährt Ski wie ein Weltmeister, spielt im Fußballverein, tanzt im Faschingsverein mit und hat jetzt auch noch seinen Pkw-Führerschein gemacht. Er ist hier im Dorf integriert und überall bekannt. Und das Größte ist, dass Carl es allen bewiesen hat und zeigt, dass sich der Aufwand gelohnt hat, sei es von den Dolmetschern, von den Lehrern, von der Frühförderung, oder wem auch immer. Er hat allen bewiesen, dass es funktioniert.“

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