Gerichtsvollzieher:
Wichtige Vermittler bei Schulden
Wer etwas kauft, muss das bezahlen. Das ist ja klar. Doch was ist, wenn man kein Geld mehr auf dem Konto hat und sich die Schulden häufen?
Gerichtsvollzieherin Jana Weber an ihrem Arbeitsplatz. Fotos: Sandra Böhm
Gerichtsvollzieher: Wichtige Vermittler bei Schulden
Wenn der Gläubiger gerichtlich gegen den Schuldner vorgeht, landet der Fall vor einem Vollstreckungsgericht. Nach dessen Urteil wird ein Gerichtsvollzieher aktiv – wie Jana Weber. Sie ist eine erfahrene Gerichtsvollzieherin im Raum Erfurt. Zu DDR-Zeiten hatte sie mit 16 Jahren mit einer Ausbildung zur Facharbeiterin für Schreibtechnik in der Spezialisierung Justizprotokollantin begonnen. „Aber in meinem zweiten Lehrjahr kam die Wende und da wurde alles neu sortiert. Denn die Justizberufe waren in der Bundesrepublik anders aufgestellt als in der DDR“, erinnert sie sich. Die Wende habe ihr neue Perspektiven eröffnet. Ihr wurde die Beamtenlaufbahn im mittleren Justizdienst angeboten und so absolvierte sie eine weitere zweijährige Ausbildung in Hessen.
Während dieser Ausbildung begleitete sie für ein paar Tage einen Gerichtsvollzieher und stellte fest: „Das ist ein toller Beruf! Das möchte ich werden.“ Ihr hat besonders das freie Arbeiten und die Selbstständigkeit des Berufs gefallen. Der typische Arbeitsalltag, bei dem man um 8 Uhr am Amtsgericht erscheint, acht Stunden arbeitet und danach wieder nach Hause geht, war nicht ihre Welt. Sie wollte frei über ihren Arbeitstag entscheiden.
Berufserfahrung erforderlich
Doch sie war damals erst zwanzig Jahre alt. Zu jung für einen Gerichtsvollzieher, denn von ihm wird mehr Lebenserfahrung erwartet. Also wurde sie erstmal thüringenweit als Beamtin im mittleren Dienst an verschiedenen Amtsgerichten eingesetzt. Schließlich kam ihr der Personalmangel nach der Wende zugute: Es fehlte an ausgebildeten Gerichtsvollziehern. Also wurde ihr früher als zuvor besprochen die 18-monatige Ausbildung zur Gerichtsvollzieherin angeboten – eine Sonderlaufbahn im mittleren Justizdienst. Auch heutzutage ist es so, dass nur Bedienstete, die bereits die Ausbildung im mittleren allgemeinen Justizdienst abgeschlossen und Berufserfahrung gesammelt haben, zur Gerichtsvollzieher-Ausbildung zugelassen werden.
Aber was macht ein Gerichtsvollzieher?
„Früher war es so: Der Gerichtsvollzieher ist rausgegangen, hat gepfändet und verwertet“, erklärt Jana Weber. Unter der Verwertung versteht man die Versteigerung der gepfändeten Sachen. „Zwangsräumungen waren auch schon immer in der Zuständigkeit der Gerichtsvollzieher, aber Pfändungen waren das Hauptgeschäft. Das hat sich im Laufe der Jahre angepasst. Heutzutage wird nur noch relativ wenig gepfändet.“ Das liege vor allem an den Gesetzen, an die sich die Gerichtsvollzieher halten. Das achte Buch der Zivilprozessordnung regelt die Zwangsvollstreckung und ist der wichtigste Grundstein für die Arbeit der Gerichtsvollzieher.
„Unsere Hauptaufgabe ist Geld beizutreiben, wenn Rechnungen beispielsweise vom Telekommunikationsanbieter, Online-Versandhandel und Energielieferanten offen sind“, sagt Jana Weber. „In aller Regel schreiben wir den Leuten erst einen Brief oder versuchen sie vor Ort anzutreffen. Es ist unsere grundsätzliche Aufgabe, Geld einzuziehen – natürlich bestenfalls freiwillig. Das geht auch per Ratenzahlungen.“ Dazu gehört, die Ratenzahlungsvereinbahrung zu überwachen, die Gelder einzuziehen und an den Gläubiger abzuführen. „Ich überwache das bis zur vollständigen Begleichung der Forderung“, sagt Jana Weber. Auch die Zwangsräumungen von Wohnungen oder zwangsversteigerten Grundstücken gehört zu ihren Aufgaben.
Mit Vorsicht herantasten
Als Gerichtsvollzieher braucht man also ein gewisses Gespür für den Wert von Waren. Auch wenn das Smartphone eines Schuldners nicht gepfändet wird, ist es ein wichtiger Hinweis für den Gerichtsvollzieher, ob dies das neuste Apple-Modell oder ein günstigeres Gerät ist. Da die Gerichtsvollzieher aber auch in die Wohnungen der Schuldner gehen, und dabei unbewaffnet und in der Regel allein sind, ist es wichtig, dass sie sich schnell einen Überblick der Lage verschaffen und diese richtig einschätzen.
„Die Tür geht auf und ich muss schauen: Wie ist mein Gegenüber drauf? Ist er alleine? Gibt es Hunde? Was kommt mir für ein Geruch entgegen? Erkenne ich an der Klangfarbe der Stimme, wie derjenige drauf ist? Die Sinne müssen geschärft sein – zumindest mache ich das so. Ein anderer Kollege macht das vielleicht anders.“
Wahre Augenöffner
Gegen das Vorurteil, dass der Beruf des Gerichtsvollziehers nur negative Aspekte habe, weil man womöglich nur mit unglücklichen, frustrierten, arbeitslosen oder alkoholkranken Menschen zu tun habe, sagt Jana Weber entschieden: „Das ist so nicht! Es gibt auch Schuldner, die man über mehrere Jahre begleitet hat, und die auch mal Danke sagen, weil man sie vielleicht wachgerüttelt und ihnen Wege aufgezeigt hat. Oder auf der Seite: Wenn vielleicht der Gläubiger gedacht hat, es sei aussichtslos und er würde sein Geld nie kriegen. Und man schafft es aufgrund der eigenen Fähigkeit, auf Schuldner einzugehen, und so dem Gläubiger zu seinem Geld zu verhelfen. Das sind schöne Momente, auch wenn der Umstand vielleicht nicht schön war.“