Licht an:
Start-up auf zwei Kontinenten
Was haben Barchfeld-Immelborn im Wartburgkreis und Berkeley bei San Francisco in Kalifornien gemeinsam? Das Thüringer Start-up Healyan. Während Philipp Caspari (28) von hier aus arbeitet, sitzt sein Co-Gründer Leon Yushin (26) in den USA. Wie das funktioniert, erklärt uns Philipp.
Im Oktober 2023 räumte Healyan den Gründer-Preis des Thex-Awards ab. Immer mit dabei ist die Healyan-Brille, die neben einer normalen Sonnenbrille auch Lichtblitze abgeben und Musik abspielen kann, um Therapie und Unterhaltung zu verbinden. Foto: Sandra Böhm
Letztes Jahr hat euer Start-up den Gründer-Preis des Thüringer Zentrums für Existenzgründungen und Unternehmertum (Thex) gewonnen. Hättest du dir als Schüler das vorstellen können?
Ich hätte es mir nicht erträumen lassen können. Früher habe ich gedacht, dass ich mein Studium mache und dann in einer großen Bude eine ruhige Kugel schiebe. Aber während meines Studiums habe ich festgestellt, dass, wenn ich für eine Sache brenne, dann will ich daran auch richtig arbeiten.
Für mich gab es Ende 2021, als mein Stipendium in den USA langsam zu Ende ging, drei Optionen: meinen Doktor weitermachen, einen Job in der Industrie suchen oder mein eigenes Unternehmen gründen. Und das mit dem eigenen Start-up war einfach das Spannendste für mich. Das hat mich angezogen wie ein Magnet.
Mehr zum Thex-Award 2023: Thex-Award 2023 verliehen: Thüringer Gründungsszene feiert herausragende Leistungen
Aber zurück zum Anfang. Was hast du studiert und wie kam der Kontakt in die USA?
Ich war schon immer an Physik, Chemie und Technik interessiert und habe als Kind gern gebastelt. Zum Beispiel habe ich einen Spazierstock für meinen Opa geschnitzt und, als mit 13 Jahren alle meine Freunde im Finger Skateboard-Hype waren, habe ich für uns Skatepark-Elemente aus Holz gebaut. Nach meinem Abitur in Bad Salzungen habe ich an der TU Ilmenau Maschinenbau studiert, weil man dort neben dem Masterabschluss auch sein Diplom erhält. Das war mir wichtig.
In der Zeit habe ich viel Berufserfahrung in der Luftfahrttechnik bei Airbus aber auch in der Medizintechnik gesammelt. Da ich meinen Master als Jahrgangsbester abgeschlossen habe, habe ich ein Stipendium für ein Doktoranden Semester an der University of California (UC) in Berkeley erhalten.
Und dort kamst du dann auf die Idee zur Technologie von Healyan?
Kann man so sagen, ja. Man sucht sich dort als Doktorand seine eigenen Themen und ich habe mich an einen Professor gewandt, der sich mit Neurologie (medizinische Behandlung des Nervensystems) im Zusammenhang mit gerätetechnischer Behandlung befasst. Es ging darum, wie man Alzheimer-Demenz nicht mit Medikamenten, sondern mit physikalischen Effekten behandeln kann. Ich wollte daran mitforschen, weil einer meiner Großväter daran erkrankt war. Eine Behandlungsmöglichkeit ist die Lichttherapie.
Das Problem dabei ist aber, dass die bisherigen Therapiegeräte große und teure Lampen sind. Die Patienten müssen also immer in die Labore und Praxen der UC Berkeley kommen, wo das Gerät steht. Da ich mich im Master auch mit Medizintechnik befasst und elektromagnetische Geräte entwickelt habe, hat mein Professor gesagt: „Mach das doch mal besser!“ Also habe ich das getan. Schnell kam die Idee auf, die Therapie in eine Brille zu packen und mit Unterhaltungsmöglichkeiten wie Musik zu verknüpfen.
So klein ist die Technologie, die in den Sonnenbrillen verbaut ist. Foto: privat
Wie ging es dann weiter?
Ich habe mich viel mit der Geräteform befasst. Es gibt ein anderes Start-up, die statt einer alltäglichen Brille mit sowas wie einer VR-Brille arbeiten. Wir wollten das aber noch einfacher in den Alltag der Menschen integrieren. An der UC Berkeley gibt es viele Studentenclubs und bei einem Gründerstammtisch habe ich mich konkreter mit meinem Freund Leon Yushin über das Projekt unterhalten.
Er hatte durch seinen Vater, der ein großes Batterie-Start-up hat und an der Georgia Institute of Technology (Georgia Tech) Werkstoffwissenschaften lehrt, Kontakte in die Gründerszene des Silicon Valley. Wir haben erstmal unsere eigenen Ersparnisse in das Projekt gesteckt. Aber dann wollten wir gründen und mussten uns überlegen, ob wir das in den USA oder in Deutschland tun wollten.
Ein Start-up zu gründen ist wie eine Achterbahnfahrt, sind sich Leon Yushin und Philipp Caspari (von links) sicher. Foto: privat
In den USA zu gründen, klingt cool. Wieso habt ihr euch für Deutschland entschieden?
Formell ist die Gründung in Deutschland zwar schwieriger, aber hier gibt es für den Anfang viele staatliche Fördermöglichkeiten, die es in den USA gar nicht gibt. Es gibt zwar von der UC Berkeley ein Programm, aber damit verkauft man direkt fünf Prozent der Firmenanteile für recht wenig Geld. Außerdem sind in den USA die Anwälte teurer als in Deutschland und das deutsche Rechtssystem steht mehr auf der Seite der Unternehmen. Deswegen haben wir gesagt, wir gründen in Deutschland und nehmen den Mehraufwand für den Gründungsprozess auf uns.
Wir wollten auch mit Blick auf die Serienproduktion schauen, wo die besseren rechtlichen Rahmenbedingungen und Produzenten sind. Viele Start-ups geben ihre Produktion nach China ab und sammeln dafür vorher Geld ein, womit sie aber ihre Produktion aus der Hand geben. Als Ingenieur im Herzen und Geräteentwickler wollte ich das aber nicht. Also haben wir festgestellt, dass in Deutschland die Bedingungen, um unser Produkt serienreif zu entwickeln, besser sind.
Wie funktioniert das, wenn die Hälfte hier und die andere in den USA arbeitet?
Eigentlich ist der Alltag nicht anders als der in einer großen Firma, in der alle Mitarbeitenden an einem Ort sind. Wir arbeiten komplett remote und machen oft lange Online-Meetings. Die können auch mal fünf Stunden dauern. Das ist aber ähnlich als würden wir nebeneinander im Büro sitzen und uns ab und zu etwas fragen. Durch die neun Stunden Zeitverschiebung zwischen Thüringen und Kalifornien ist es so, dass quasi 24/7 jemand an der Umsetzung arbeitet.
Neben Leon und mir gehören noch zwei Studenten zu uns – ein Informatiker, der an TU Ilmenau gerade seine Masterarbeit schreibt, und ein Neurologie-Student der UC Berkeley. Wenn die einen aufstehen, gehen die anderen ins Bett. Meistens ist es so, dass wir uns dann abends kurze Nachrichten über den Stand der Dinge schreiben. Wenn alle bei den Meetings dabei sein sollen, legen wir die auf 20 Uhr deutscher Zeit, dann ist es bei denen 11 Uhr vormittags.