Ausbildung mit Behinderung
Eine Hürde, aber kein Hindernis
Florian Zapf kann nicht richtig sehen. Das schränkt ihn natürlich bis zu einem gewissen Grad in seinem täglichen Leben ein. Dennoch hat er mit seiner Erkrankung seine Ausbildung gemeistert und steht inzwischen fest im Berufsleben.
Foto: Sandra Böhm
Eine Hürde, aber kein Hindernis
In seiner Kindheit war für Florian eigentlich alles normal. Doch als er acht Jahre alt war, merkte er, dass er das Tafelbild in der Schule nicht mehr richtig lesen konnte. Das geht vielen Kindern so und die Lösung ist meistens denkbar einfach: eine Brille. Doch bei ihm verschlechterte sich sein Sehvermögen von 100 Prozent auf fünf bis zehn Prozent – und das nur in einem halben Jahr. Seine Augenärzte wollten ihn auf eine Sonderschule schicken, doch das war für ihn und seine Eltern keine Option. Florian wollte normal aufwachsen und wie alle seine Klassenkameraden weiterhin auf seine Schule gehen.
Florians Diagnose
Inzwischen weiß er, was er für eine Erkrankung hat, obwohl sie in seiner Jugend erst falsch diagnostiziert worden war. Sie nennt sich Morbus Stargardt und ist eine Erbkrankheit. Bevor sie bei ihm ausbrach, wusste seine Eltern nicht, dass seine Mama die Veranlagung in sich trug. Bei Morbus Stargardt handelt es sich um eine Netzhauterkrankung, bei der die Netzhautmitte, die Stelle des schärfsten Sehens, ihre Funktion verliert. Sie führt zwar nicht zum Erblinden, Betroffene wie Florian können aber nicht mehr scharf sehen.
„Ich beschreibe es immer so, als würde ich das Bild in einem sehr alten Röhrenfernseher sein. Es ist alles krisselig. Ich kann zwar einiges erkennen, aber keine Details. Meistens schaue ich über die Seiten, weil mein Sichtfeld außen besser ist“, erklärt Florian seine Symptome. Ab unter drei Prozent Sehvermögen gilt man als blind, Florian ist also stark sehbehindert.
Ausbildung mit Sehbehinderung
Wie andere Jugendliche auch wusste er nach dem Realschulabschluss nicht, was er machen wollte. Einige seiner Freunde gingen nach Jena, um am SBSZ ihr Fach-Abi für Gesundheit und Soziales zu machen, also entschied sich Florian auch dafür. Doch ab da häuften sich verschiedene Probleme und er brach nach einem Jahr trotz guter Noten sein Fach-Abi ab. Dann folgten verschiedene schulische Stationen, die aber alle nicht so recht für ihn funktionierten.
„Ich habe zwar nebenbei bei meinem Onkel in der Autowerkstatt gejobbt und beim Räderwechsel geholfen, aber ich wusste, dass eine Ausbildung in dem Bereich nicht funktionieren würde“, erzählt Florian. „Eigentlich wollte ich früher keinen Büro-Job, aber dann habe ich mich bei der Hermsdorfer Stadtverwaltung für die Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten beworben, weil ich dachte, dort ist es wegen der Quote einfacher.“ Doch hierfür hätte er nach Gera zur Berufsschule gehen müssen, mit der er zuvor keine guten Erfahrungen gemacht hatte. Eine andere Lösung musste her.
Plan B für die Ausbildung: Hermsdorfer Porzellanfabrik
Die Stadtverwaltung brachte ihn mit Frau Kaiser, der damaligen Chefin der Porzellanfabrik Hermsdorf, in Kontakt, da sie bekannt dafür war, sich für inklusive Lösungen ihrer Mitarbeitenden einzusetzen. „Ich habe dort zwei Wochen Praktikum gemacht und war extrem glücklich“, so Florian. Also stand fest, dass er dort seine Ausbildung zum Industriekaufmann machen würde. Die Arbeitsagentur unterstützte ihn dabei.
Bei einem Seminar bekam er viele Hilfs mittel gezeigt und probierte aus, ob sie ihm nützten. Als Ergebnis stattete die Arbeitsagentur seinen Arbeitsplatz mit zwei Monitoren, einem Kamerasystem, Bildschirmlupen und Vergrößerungssoftwares aus, damit er sich die Dateien so vergrößern kann, dass er sie lesen kann. Florian: „Ich wollte meine Ausbildung normal machen und nicht der ausgegrenzte Sehbehinderte sein. Die Unterstützung von Frau Kaiser hat mir viel Sicherheit gegeben. Ich hätte vorher selbst nicht gedacht, dass das alles so funktioniert. Hier bin ich kein Außenseiter und ich komme extrem gern zur Arbeit.“
Probleme in der Berufsschule
In der Berufsschule gestaltete sich das schwieriger. Sein Kamerasystem konnte er nicht nutzen, da es nicht funktionierte, sobald die Köpfe von Klassenkameraden oder der Lehrkräfte das Tafelbild verdeckten. Die Lehrer hätten sich laut Florian sehr viel Mühe gegeben, und ihm die Arbeitsblätter mit einer größeren Schriftgröße gegeben oder vorab zugeschickt.
Aber Florian erkennt hier auch Probleme: „Das Inklusionsgesetz ist für sich eine gute Sache, aber die Lehrer stehen damit alleine da, obwohl sie dafür nicht ausgebildet sind und sich noch um die anderen Azubis kümmern müssen.“ Für ihn wäre es besser gewesen, wenn er einen Betreuer zur Seite gestellt bekommen hätte, der die Lehrer mit solchen Arbeiten unterstützt. „Ich verstehe, dass das für die Lehrer ein riesiger Mehraufwand ist. Ich weiß von einer Lehrerin, die bis mitternachts dasaß, um meine Arbeitsblätter umzuwandeln. Das ist zwar löblich, aber nicht Sinn und Zweck und das kann man auch nicht erwarten.“
Seit 2021 hat Florian seinen Abschluss in der Tasche und ist seitdem für Einkauf und Buchhaltung der Porzellanfabrik Hermsdorf zuständig. „Die Erfahrungen in der Berufsschule waren schon hart und man braucht Ehrgeiz, wenn man es auf dem Weg schaffen möchte. Aber mir ist wichtig zu sagen: Menschen mit Behinderungen können mehr schaffen als viele glauben!“